Cornelia Uhrig

Systemische Aufstellungsarbeit

Erklärungen und Beschreibungen zur Vorbereitung auf eine systemische Familien-Aufstellung

Der Name Familienaufstellung ist etwas irreführend, weil viele denken, dass immer die Familie aufgestellt wird. Aber aufgestellt kann Vieles, z.B. ein Kummer, eine Erkrankung, eine Sorge, eine Sehnsucht, u.v.m. Auch Organisationen, Beziehungen, Unternehmen, zukünftig geplante Projekte u.a. können aufgestellt werden.
Bei der systemischen Familienaufstellung hat die aufstellende Person die Möglichkeit, die in der Tiefe wirkenden Seelenbilder ihres Familien-Beziehungssystems abzubilden. Hierdurch kommen Dynamiken ans Licht, die unser Leben und unsere Beziehungen unbewusst mitgestalten und zum Teil schicksalhaft beeinflussen.
In der Aufstellung sind diese Dynamiken plötzlich deutlich sichtbar. Die in dem Familiensystem nicht verarbeiteten Ereignisse, Traumata, vorhandenen Blockaden, auch ungelöste und nicht gelebte Gefühle zeigen sich, finden ihren Ausdruck und können schließlich zu einer heilsamen Auflösung kommen. Auch Krankheitssymptome, wenn sie eine systemische Verbindung haben können sich zurückziehen.
Eine Aufstellung kann unsere Beziehungen wieder in eine positive Ausrichtung bringen und zeigt mögliche Wege, neue Ressourcen und Antworten auf Fragen in allen Lebensbereichen.

Der Kern ist: Heilung/Lösung/ Linderung entstehen jenseits unseres kognitiven Bewusstseins
In der Aufstellungsarbeit folgen die Aufstellungs-Therapeutin/Leiterin und die Menschen, die aufstellen, einer sich zeigenden größeren Kraft, die Seins-übergreifend Lösungen für die eingebrachten Fragen aufzeigen. Hier geht Familienstellen über Psychotherapie hinaus und berührt philosophische und spirituelle Dimensionen des Mensch- Seins.
.
Wie geht das?
Alle Teilnehmerinnen sitzen auf Stühlen im Kreis. Der Stuhl neben der Leiterin/Therapeutin ist für diejenige frei, die ein Anliegen hat und dieses formuliert und aufstellen möchte. Im Raum ist Stille.

Die Aufstellende setzt sich jetzt neben die Leiterin/Therapeutin und wird nach besonderen Ereignissen in der Familie und ihrem Anliegen gefragt. Dann bittet die Leiterin/Therapeutin sie, sich für bestimmte Familienmitglieder oder/und für bestimmte Symptome Stellvertreter aus der Gruppe auszuwählen.

Die Teilnehmerin sucht sich dann unter den Anwesenden Personen, die Stellvertreterinnen aus. Die Stellvertreterinnen fühlen sich.

Jetzt offenbart sich ein Phänomen, das bei der Aufstellungsarbeit immer wieder tief beeindruckt. Die Stellvertreter können an ihren Plätzen die Gefühle der ihnen fremden Menschen, die auch schon verstorben sein können, mit oft überwältigender Deutlichkeit wahrnehmen.
Bleiben sie absichtslos, werden sie erfasst von einer Resonanz, eines Gewahr-Werdens einer tiefen inneren Bewegung, die sich vollenden möchte.

Folgen die StellvertreterInnen diesen Impulsen, zeigen sich vergessene, verdrängte konflikthafte Ereignisse des aufgestellten Systems, die sich durch die Bewegungen der Stellvertreterinnen auszudrücken versuchen.
Die z.B. Angst, Depression oder körperlichen Symptomen gebundenen Gefühle können ihren klaren, ungehinderten Ausdruck finden und dadurch ihre belastende Wirkung verlieren. Nicht gelebte Trauer und versäumte Abschiede können nachgeholt und übernommene Schicksalslasten aufgelöst werden. Heilsame Lösungsbilder und neue Handlungsmuster können entstehen.
Daan von Kampenhout beschreibt folgendermaßen:
„Das Familien-Stellen hat durch die überraschende Erfahrung, dass die Stellvertreter für die einzelnen Familienmitglieder so fühlen wie die Personen, die sie vertreten, ohne dass sie etwas von ihnen wissen, einen Zugang zu Schichten der Seele eröffnet……
Durch die Bewegung, wenn sich die Stellvertreter ihr ganz überlassen, werden für den Einzelnen und für seine Familie Lösungen gefunden, durch die das Getrennte sich wieder verbindet, Das Sich Entgegenstehende sich versöhnt und altes Unrecht ausgeglichen werden kann.“

Was in der Tiefe wirkt
Wir alle scheinen über unser Ich-Bewusstsein hinausgehend in ein Bewusstseins-Speicherfeld eingebunden zu sein, Das uns unbewusst in unserem Denken, Fühlen und Handeln beeinflusst. So sind wir alle verbunden mit einem Familienfeld aber auch mit kollektiven Feldern, wie z. B. die Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe oder zu einem Land.

In diesen Speicherfeldern wirkt eine Art Gruppengewissen, das weit über unser persönlich gefühltes Gewissen, welches wir bewusst wahrnehmen können, hinausgeht. Es verbindet die einzelnen Mitglieder miteinander und unterliegt verschiedenen Wirkungsmechanismen.
So scheint es ein gleiches Recht auf Zugehörigkeit zu geben, das alle miteinschließt, die zu dem System gehören, auch früh Verstorbene oder nicht geborene Kinder, vorherige Bindungen, Opfer Täter u.v.m.
Ein Familienmitglied z. B., welches vergessen oder ausgeschlossen wurde, wird – so können wir immer wieder beobachten – häufig in einer der nachfolgenden Generationen durch ein anderes Mitglied wieder repräsentiert. So ahmen wir oft über unbewusste Identifizierungen Schicksale von ehemals zur Familie gehörenden Mitgliedern nach oder übernehmen stellvertretend ihre Gefühle, manchmal bis hin zur Selbstaufgabe.

Im Leben kann sich das z. B. so anfühlen, dass sich jemand nicht zugehörig zur Familie fühlt, teilnahmslos, depressiv oder scheinbar grundlos traurig ist oder immer auf der Suche scheint. Es kann auch bedeuten, dass manchmal Dynamiken wirken, die zu Sucht, Krankheit und Tod führen können.

Die gute Kraft die sich während des Familienstellens zeigt hilft, dass wenn diese Dynamiken ihre Wirkungskraft verlieren, wenn sie ans Licht kommen! (in Anlehnung an einen Text von meinem Lehrer Harald Homberger)

Wie bereite ich mich vor, wenn ich ein Anliegen einbringen möchte?

Für Familienaufstellungen ist es hilfreich, wenn Du wichtige schicksalhafte Ereignisse Deiner Familie und den dazugehörigen Personen erfahren kannst. Dazu gehören z.B. antworten auf folgende Fragen:

Gab es Geschwister, die tot geboren wurden, früh starben oder als Kind früh weggegeben wurden?

Hat einer der Eltern Geschwister in der Kindheit oder Jugend verloren?

Hatte einer der Eltern vor oder während der ehe wichtige andere Partner und sind Kinder aus diesen Beziehungen hervorgegangen?

Gab es bei den Großeltern solche wichtigen anderen Partner oder Kinder aus anderen Beziehungen?

Gab es in Deiner Herkunftsfamilie besondere und schwere Schicksale, wie Behinderung, Adoption, schwere Krankheiten, Tod durch Unfall, Tod einer Frau im Kindsbett, Suizid oder ähnliches?

Gab es Kriegsereignisse wie Gefangenschaft, Flucht, Verfolgung, Vertreibung?

Gab es in Deiner Herkunftsfamilie psychische Erkrankungen?

Gab es in Deiner Biographie besondere Ereignisse, z.B. nicht gelöste früherer Partnerschaften, Unfälle, Schwangerschaftsabbrüche, Fehlgeburten?

Die Eltern, Großeltern und Verwandten zu den Schicksalen in der Familie zu befragen ist oft schon eine große Bereicherung. So kann manchmal schon im Vorfeld ein langgehütetes Tabu aufgehoben werden. Oder ein vertrautes Gespräch ermöglicht ein neues Gefühl von Nähe.

Wie verhalte ich mich während einer Aufstellung?

Die Aufstellung lebt von ihren TeilnehmerInnen, die sich ein einem bestimmten Geist treffen. Ich nenne ihn den „Herz-Geist“.
Wir hören mit dem Herzen, dem ganzen Sein zu, ohne den anderen „einzutüten“ (also nicht kognitiv, vergleichend und bewertend zuhören) Was bewegt diesen Menschen jetzt?

Wir öffnen uns ganz einem Geschehen, das wir nicht wirklich verstehen können. Aber wir können spüren, dass es auf unsere Präsenz und innere Haltung ankommt. Auf diese Weise öffnen wir ein (heiliges/göttliches) Feld in dem sich alles zeigen darf und zeigen kann.

Voraussetzung sind Grundhaltungen besonders in der Stellvertreterinnen-Rolle:

Jeder Moment ist neu
Erfahrung ist jetzt
Wahrgenommenes wird nicht bewertet
Die Schauende/Spürende und das Geschaute/Gespürte sind vom Wesenskern nicht verschieden
Absichtsloses Handeln
Verbinde was du wahrnimmst mit der Liebe
Gehe ins Spüren und nicht ins Denken

Nicht alle Anwesenden können ihre Anliegen bearbeiten aber alle Anliegen sind abhängig vom Spür-Gewahrsein der StellvertreterInnen und Aufrechterhaltung des gemeinsam gebildeten Feldes (auch diejenigen, die „nur“ ZuschauerInnen sind hier sehr wichtig).